Was bedeutet Candidate Experience und warum ist sie so wichtig?
Die Candidate Experience umfasst alle Eindrücke, die Bewerbende im gesamten Auswahlprozess sammeln – von der Stellenanzeige bis zum Onboarding. Studien von Gallup, Qualtrics und Starred zeigen, dass diese Erfahrungen direkten Einfluss darauf haben, ob sich Menschen bewerben, im Prozess bleiben, ein Angebot annehmen oder das Unternehmen weiterempfehlen.
Da Bewerbende heute zwischen vielen Arbeitgebern wählen können, ist die Candidate Experience nicht mehr nur ein „Nice-to-have“, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor.
Was zeichnet eine moderne Candidate Experience aus?
Eine moderne Candidate Experience ist transparent, wertschätzend und gut strukturiert. Kommunikation erfolgt zeitnah, Rollen und Erwartungen sind klar beschrieben, und Bewerbende erleben einen Prozess, der nachvollziehbar und professionell wirkt. Gleichzeitig ist Praxisnähe entscheidend: Je realistischer Einblicke und Aufgaben (Stichwort Realistic Job Preview) sind, desto besser können Menschen einschätzen, ob sie wirklich zu einem Arbeitgeber passen.
Und: Die Candidate Experience endet nicht mit der Vertragsunterschrift. Ein strukturiertes, einladendes Onboarding ist der letzte und wahrscheinlich wichtigste Eindruck, den ein Unternehmen in dieser Phase hinterlässt.
Woran erkennt man eine schlechte Candidate Experience?
Eine schlechte Candidate Experience zeigt sich oft in langen Wartezeiten, unklaren Abläufen und unpersönlicher Kommunikation. Auch technische Hürden, lieblos aufgesetzte Bewerbungssysteme oder generische Aufgabenstellungen wirken abschreckend. Werden im Onboarding dann auch noch wichtige Informationen vergessen oder neue Mitarbeitende allein gelassen, kann selbst eine zuvor positive Erfahrung schnell kippen.
Warum Candidate Experience ein strategischer Erfolgsfaktor ist
Unternehmen, die ihre Candidate Experience verbessern, profitieren nachweislich von einer höheren Annahmequote. Gleichzeitig verbessert eine gute Candidate Experience die Passung neuer Mitarbeitender, reduziert frühe Fluktuation und steigert die Arbeitgeberattraktivität.
Forschungsbeiträge aus dem HR-Bereich zeigen zudem, dass Bewerbende, die positive Erfahrungen gemacht haben – selbst wenn sie nicht eingestellt wurden – signifikant eher wiederkommen oder das Unternehmen weiterempfehlen.
Recrutainment: Die Verbindung aus Recruiting und Entertainment
Recrutainment steht für die Kombination aus Recruiting und unterhaltsamen, aktivierenden Erlebnissen. Dabei geht es nicht um „Spielerei“, sondern um realistische, interaktive Erfahrungen, die sowohl die Bewerber als auch Unternehmen besser verstehen lassen, ob eine Zusammenarbeit passt.
Im Kern verbindet Recrutainment drei Aspekte:
- Realitätsnähe: Bewerbende erleben typische Aufgaben und Situationen des Jobs.
- Erlebnisorientierung: Der Bewerbungsprozess wirkt weniger belastend und zugleich motivierender.
- Selbstselektion: Menschen treffen fundiertere Entscheidungen, ob sie wirklich zum Unternehmen passen.
Gerade wissenschaftliche Arbeiten zu Realistic Job Previews (z. B. SIOP) zeigen, dass realitätsnahe Vorschauen die spätere Zufriedenheit und Leistung deutlich erhöhen – und genau hier setzt Recrutainment an.
Welche Rolle spielen Serious Games, Recrutainment-Elemente und Business Escape Games?
Serious Games und Business Escape Games sind eine Weiterentwicklung von Recrutainment: Sie bieten realitätsnahe, aktivierende und beobachtbare Situationen, die klassische Interviews nicht abbilden können.
1. Realistische Einblicke in Aufgaben und Kultur
Statt eines Fragebogens erleben Bewerbende echte Szenarien – eine Art „Vorschau“ des Arbeitsalltags. In einem Business Escape Game müssen sie z. B. gemeinsam Probleme lösen, miteinander kommunizieren oder Prioritäten setzen. Unternehmen gewinnen dadurch ein tiefes Bild der Arbeitsweise und Kompetenzen – und Bewerbende erkennen unmittelbar, ob ihnen diese Art von Aufgaben liegt.
2. Stressabbau und bessere Gesprächsatmosphäre
Spielerische Elemente schaffen einen Rahmen, der die Nervosität reduziert. Menschen agieren authentischer, spontaner und weniger „performativ“, was die Qualität der Beobachtung deutlich erhöht.
3. Aussagekräftigere Einschätzung der Passung
Serious Games bilden Verhalten ab, nicht nur Worte. Bei vielen Rollen ist entscheidend, wie jemand handelt – nicht, wie er oder sie in einem klassischen Interview über hypothetische Situationen spricht. Unternehmen erhalten dadurch Daten, die zur echten Qualität der Einstellung (Quality of Hire) beitragen.
4. Stärkung der Arbeitgebermarke
Recrutainment-Formate erscheinen innovativ und ermöglichen Kandidaten ein Erlebnis, das im Gedächtnis bleibt. Besonders für jüngere Bewerbergruppen wirkt diese Art der Candidate Experience attraktiv und modern, aber auch erfahrenere Talente schätzen transparente Einblicke und abwechslungsreiche Auswahlprozesse.
5. Games im Onboarding
Im Onboarding können Games helfen, Teams zusammenzubringen, Wissen zu vermitteln oder Prozesse spielerisch zu erklären. Ein Business Escape Game zum Start in ein neues Team stärkt die Bindung, fördert Kollaboration und erleichtert den Einstieg – und verlängert die positive Candidate Experience in den Arbeitsalltag hinein.
Fazit: Recrutainment und Serious Games verändern die Candidate Experience
Eine moderne Candidate Experience verbindet klare Prozesse mit echten Erlebnissen. Recrutainment, Serious Games oder Business Escape Games sind dabei wirkungsvolle Instrumente, weil sie Realitätsnähe, Aktivierung und Entscheidungsqualität vereinen.
Unternehmen profitieren gleich doppelt: Sie gewinnen ein ehrlicheres Bild ihrer Kandidaten – und Bewerbende gewinnen einen authentischen Eindruck ihrer möglichen Zukunft.
Damit entsteht ein Bewerbungsprozess, der motiviert, Vertrauen schafft und langfristig die Qualität der Einstellungen verbessert.
Quellen
SIOP – Society for Industrial and Organizational Psychology: „What We Know About the Candidate Experience“
https://www.siop.org/
Li, R. et al. (2023) – Wirksamkeit spielerischer Lernformen („Examining the effectiveness of gamification…“)
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2023.1253549/full
Gallup (2023) – Einfluss der Bewerbererfahrung auf Annahmequoten und Bindung
https://www.gallup.com/workplace/651650/